Reflexe, Vergütung und Gegenlichtblenden
von Franz-Manfred Schüngel

Beim Übertritt von Licht von einem Medium in ein anderes wird ein Teil dieses Lichts reflektiert. Der genaue Anteil hängt vom Einfallswinkel und der Differenz der Brechungindices der Medien ab. So beträgt beispielsweise beim Übergang von Luft (Brechungsindex n = 1) in Glas mit n = 1.5 der reflektierte Anteil 4%. Da die Reflexion beim Austritt noch einmal auftritt, gelangen nur rund 92% des Lichts durch eine einfache Linse hindurch. Schwerwiegender als der Lichtverlust ist aber der Auftritt von Nebenbildern, die das Hauptbild diffus überlagern und die Brillanz des Bildes vermindern. Da der Effekt an jeder Linse auftritt, steigt das Problem mit zunehmender Linsenzahl.
 

Die Teilreflexion lässt sich mindern, indem ein "weicherer" Übergang zwischen den Medien ermöglicht wird. Bei Einführung einer zusätzlichen Schicht, deren Brechungsindex zwischen dem von Luft und Glas liegt, finden zwar zusätzliche Reflexionen statt, die jedoch auch in der Summe bedeutend geringer sind:
 

Da die Teilreflexion nach der Fresnel'schen Formel mit dem Quadrat der Differenz der Brechungsindices steigt, ist die Gesamtreflexion geringer. Berechnet man die Teilreflexion bei obigem Beispiel mit einer Zwischenschicht mit n = 1.25, so ergibt sich am Übergang von Luft (n = 1) in die Zwischenschicht eine Reflexion von rund 1.1%, am Übergang von der Zwischenschicht in Glas (n = 1.5) eine Reflexion von rund 0.9%. In der Summe findet also nur noch rund halb so viel Reflexion statt wie bei einem direkten Luft-Glas-Übertritt. Durch Einführung weiterer Schichten mit abgestuften Brechungsindices (Multicoating) lässt sich noch eine weitere Verbesserung erreichen.

In der Praxis werden auf die fertigen Linsen eines optischen Systems Schichten aus Leichtmetallhalogeniden aufgedampft. Hierbei wird die Schichtdicke so gewählt, dass sich Reflexe an den Übergängen einer Schicht weginterferieren (auslöschen). Da dies nur für eine Wellenlänge optimiert werden kann, erscheinen die Linsen mehrschichtvergüteter Objektive grünlich oder rötlich schillernd. Dank dieser Technik sind Gegenlichtsituationen heute kein Problem, die alte Regel, immer nur mit der Sonne im Rücken zu fotografieren, spielt daher bei der Verwendung mehrschichtvergüteter Objektive keine Rolle. Dennoch sollten bei extremen Gegenlichtverhältnissen (Wintersonne im Bild) keine Filter verwendet werden, wenn möglich, sollte man dabei auch Objektive mit geringer Linsenzahl vorziehen:
 

Auf dem linken Bild (Yashica T4 mit Carl Zeiss Tessar 3.5/35 mm, 4 Linsen in 3 Gruppen) sind keine Reflexe zu erkennen, auf dem rechten Bild (Minolta 7000, Sigma 2.8-4/28-105 mm in 28 mm Position, 12 Linsen in 11 Gruppen) erkennt man eine ganze Spur von schwachen, aber störenden Reflexen. Wegen der vielen Glas-Luft-Übergänge ist das Sigma-Objektiv (wie alle Zooms) in der Abbildungsqualität bei derartigen Kontrastverhältnissen deutlich unterlegen, obwohl es doppelt so viel kostet wie die Yashica T4. Ohne Multicoating wäre allerdings auf beiden Bildern nur Matsche zu sehen.

Eine starke Lichtquelle wie die Sonne mindert aber durch Reflexe auch dann die Brillanz, wenn sie so flach ins Objektiv scheint, dass sie nicht mehr im Bild ist. Problematisch ist das vor allem bei Weitwinkelobjektiven, wo eine sich gerade ausserhalb des Bildes befindliche Sonne eine Spur von blendenförmigen Reflexen durchs Bild ziehen kann. Um das möglichst weitgehend zu vermeiden, sind zahlreiche Gegenlichtblenden aus Metall, Kunststoff oder Gummi auf dem Markt. Sie werden in das Filtergewinde geschraubt, geklemmt ober per Bajonett arretiert und verhindern seitlichen Lichteinfall (eigentlich müssten sie daher Streulichtblenden heissen). Weiterhin schützen sie das Objektiv vor Stössen häufig besser als Schutzfilter, da ein splitternder Filter meistens auch Spuren an der Frontlinse hinterlässt. Die Gegenlichtblende muss zur Objektivbrennweite passen, damit sie optimal vor Lichteinfall schützt, ohne die Bildecken abzudunkeln. Für starke Weitwinkel- und Teleobjektive sollte man sich daher möglichst die Originalblende des Herstellers besorgen. Für leichte Tele-, Weitwinkel- und Normalobjektive sind faltbare, runde oder eckige Gummigelis aus dem Zubehörhandel gut geeignet.
 

Treten gelegentlich unsymmetrische Reflexe wie auf dem obigen Bild (Salyut 80 mit Industar-29 2.8/80 mm-Objektiv) auf, so ist dafür die Verwendung reflektierender Materialien in der Kamera verantwortlich. Abhilfe kann man schaffen, indem man alle metallischen und glänzend-schwarz lackierten (!) Teile im Strahlengang mit mattschwarzem Kameralack anpinselt. Dieses Qualitätsproblem ist vor allem bei russischen Mittelformat-Spiegelreflexkameras anzutreffen. Möglich ist aber auch, dass die Reflexe von Zubehörteilen wie Zwischenringen verursacht werden.


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(c) 1999 by Franz-Manfred Schüngel