Lochkamera
von Franz-Manfred Schüngel

Eine Lochkamera besitzt kein Objektiv, die Abbildung entsteht allein durch eine sehr kleine Blende. Das Bild ist nicht völlig scharf, da die das Licht bündelnde Optik fehlt, die Schärfentiefe ist jedoch nahezu unendlich. Ausser der geometrisch bedingten Vignettierung ist ein Loch nicht von den Abbildungsfehlern einer Linse behaftet. Historisch sind Lochkameras ("Camera Obscura") schon sehr lange bekannt, so ist beispielsweise eine Konstruktion des berühmten Kameraherstellers Leonardo da Vinci überliefert.
 

Auf dieser Seite wird beschrieben, wie sich eine Lochkamera leicht herstellen lässt, wenn man eine Kleinbild- Spiegelreflexkamera besitzt. Neben der Kamera benötigt man nur einen Gehäusedeckel für das Kamerabajonett, ein kleines Stückchen Blech (zum Beipiel von einer Getränkedose), einen Kugelschreiber, etwas Schleifpapier oder eine feine Feile, eine Nadel, Klebeband und etwas Geduld. Weiterhin ist ein Diaprojektor sehr nützlich. Findet man Gefallen an der Fotografie mit Lochkameras, lassen sich mit den gewonnenen Erkenntnissen auch andere Modelle herstellen, zum Beispiel aus dem alten Gehäuse einer Rollfilmkamera.
 
Man kann mit Lochkameras recht erstaunliche Bildqualitäten erzielen, wie die Ausschnittvergrösserung aus der Bildmitte des nebenstehenden Fotos zeigt (Aufnahme mit 100 mm Lochabstand auf 18x24 cm Fotopapier).
 
Wer eine Lochkamera mit recht einfachen Mitteln komplett selber bauen möchte, was auch beispielsweise im Rahmen einer Jugendgruppe ein beliebtes Projekt ist, kann sich hier eine Bauanleitung ausdrucken oder herunterladen: Lochkamera.pdf (157 kB)

Aus einer einfachen Überlegung geht hervor, dass die Abbildung um so schärfer wird, je kleiner das Loch ist. Die Beugung setzt jedoch eine physikalische Grenze, sodass es für jede "Brennweite" eine optimale Lochgrösse gibt. Die "Brennweite" ergibt sich aus dem Abstand Loch - Film und wird im folgenden Auflagemass genannt. In die genaue Formel geht die Wellenlänge des Lichts ein; da hier über das Spektrum gemittelt wird, ist die folgende Formel vereinfacht, Abweichungen von +/- 15% sind unbedenklich:
 

d ist der Durchmesser des Lochs, A das Auflagemass, welches bei Spiegelreflexkameras rund 45 mm beträgt. Der optimale Lochdurchmesser beträgt dabei 0.30 mm. Folgende Tabelle ist vielleicht hilfreich, wenn man zu faul ist zum Rechnen:
 

Auflagemass A (mm)
Lochdurchmesser d (mm)
Blende f
Verlängerungsfaktor zu f 16 
10
0.14
70
20x
15
0.17
88
30x
20
0.20
100
40x
40
0.28
140
80x
100
0.45
220
190x

Das optimale Loch hat die dem Auflagemass (der "Brennweite") entsprechende Grösse, ist kreisrund und aus nicht reflektierendem, möglichst dünnen Material. Um diesem nahe zu kommen, verwendet man dünnes Blech aus nicht zu hartem Metall, zum Beispiel Kupfer oder Aluminium (Getränkedose). Ein kleines Stück wird ausgeschnitten und ein (leerer) Kugelschreiber in der Mitte fest aufgedrückt. Auf der Rückseite entsteht so eine kleine Delle, die mit feinem Schmirgelpapier oder einer Feile abgeschliffen werden kann, bis das verbleibende Material hauchdünn ist. Mit einer Nähnadel lässt sich nun ein Loch stechen und vorsichtig entgraten. Die Nadel wird nur hineingestochen, nicht hindurch.

Das fertige Blech lässt sich nun mit Klebestreifen in einem Diarähmchen befestigen. Durch Projektion auf eine Leinwand lässt sich überprüfen, ob das Loch schön rund geworden ist. Der Durchmesser des projizierten Lochs wird auf der Leinwand gemessen. Nach Entnahme des Rähmchens wird ein durchsichtiges Kunststofflineal in den Projektor geschoben und den Abstand von zwei einem Millimeter entsprechenden Linien auf der Leinwand gemessen. Teilt man den Durchmesser des projizierten Lochs durch diesen Wert, erhält man den Durchmesser des Lochs in Millimeter. Anders ausgedrückt: Der Abstand zweier Millimeterlinien auf der Leinwand entspricht der Vergrösserung, werden zum Beispiel 60 mm gemessen, beträgt die Vergrösserung 60x. Um den Durchmesser des Lochs zu erhalten, teilt man den auf der Leinwand gemessenen Lochdurchmesser durch die Vergrösserung. Beispiel: Der Durchmesser des projizierten Lochs betrug 18 mm, das Loch ist also tatsächlich 18 mm/60 = 0.30 mm gross.  Meistens sind mehrere Versuche notwendig, bis der gewünschte Durchmesser gefunden ist.
Mit einem wasserfesten Filzstift wird dem ausgesuchten Blech eine schwarze Färbung verpasst. Um es an einer Spiegelreflexkamera zu befestigen, besorgt man sich am besten einen Gehäusedeckel und bohrt ein Loch in die Mitte. Hinter dieses Loch wird das selbstgemachte Präzisionsloch geklebt.

Wegen der kleinen Blendenöffnung (Brennweite durch Lochdurchmesser) wird man im Sucher einer Spiegelreflexkamera nicht gerade das meiste erkennen. Arbeitet man mit automatischer Belichtung, sollte man den Sucher abdecken, da dort einfallendes Fremdlicht zu Fehlbelichtungen führt. Wegen der auch bei Sonnenlicht resultierenden langen Belichtungszeiten ist es notwendig,  mit einem Stativ zu arbeiten. Wenn ein Handbelichtungsmesser verwendet wird, ist es unwahrscheinlich, dass er die Eingabe sehr kleiner Blendenwerte erlaubt. Die einfachste Lösung besteht dann darin, dass man die Belichtung bei Blende 16 misst und die Belichtungszeit mit dem sich daraus ergebenden Verlängerungsfaktor multipliziert. Der Verlängerungsfaktor errechnet sich nach
 
In der obigen Tabelle sind die zugehörigen Verlängerungsfaktoren für Rechenfaule angegeben. Mit einer Rechenscheibe, die man sich hier herunterladen oder ausdrucken kann, ist die Abschätzung der Belichtungszeit auf Basis einer Messung bei Blende 16 für verschiedene Blenden ebenfalls möglich.

Da man mit der Belichtungszeit schnell in den Bereich mehrerer Sekunden kommt, muss man den Schwarzschildeffekt beachten. Der in etwa lineare Zusammenhang zwischen Schwärzung des Films und auftreffender Lichtmenge ist nämlich nur bei Zeiten zwischen einer Sekunde und einer tausendstel Sekunde gegeben. Belichtet man länger, muss die Lichtmenge erhöht werden, um zu einer gleichen Schwärzung zu kommen, das heisst, bei langen Belichtungszeiten muss noch länger belichtet werden. Leider hängt dieser Faktor aber vom Filmmaterial ab, so dass eigene Versuche notwendig sind. Über den Daumen gepeilt sollte bei 10 Sekunden gemessener Belichtungszeit eine Belichtung von 20 bis 40 Sekunden zum richtigen Ergebnis führen.

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(c) 1999 by Franz-Manfred Schüngel