Brennweite
von Franz-Manfred Schüngel

Die Brennweite einer Linse ist die Entfernung, in der parallele Strahlen (z.B. von der Sonne) hinter der Linse in einem Punkt gebündelt werden. Bei Fotoobjektiven für Kleinbildfilme hängt die Brennweite mit dem Bildwinkel zusammen. Die Bedeutung des Bildwinkels kann man sich folgendermassen verdeutlichen: Betrachtet man die Welt mit einem zugekniffenen Auge durch einen leeren Diarahmen (oder eine entsprechende Öffnung), so bekommt man einen Eindruck, der dem eines Fotos ähnlich ist: Ein zweidimensionales Bild, aus der Umgebung herausgestanzt. Durch Vor- und Zurückbewegen des Diarahmens kann man einen grösseren oder kleineren Ausschnitt wählen. Der Abstand Auge - Rahmen entspricht hierbei der Brennweite des Objektivs, mit der man die entsprechende Aufnahme machen kann. In einem bestimmten Abstand, der ungefähr der Diagonale des Filmformats beträgt (bei Kleinbildfilm rund 45 mm) entspricht der Ausschnitt, den man sieht, in etwa dem natürlichen Sehfeld. Eine Aufnahme mit einem Objektiv dieser Brennweite entspricht so auch dem natürlichen Eindruck, den man von der Szene hatte. Man nennt diese Objektive mit Brennweiten zwischen etwa 45 und 55 mm Normal- oder Standardobjektive. Sie vermitteln einen Bildausdruck, der natürlich, harmonisch, aber auch langweilig wirken kann. Vorteilhaft sind der geringe Preis, selbst für lichtstarke Normalobjektive, und die hohe optische Leistung auch bei billigen Objektiven. Sie sind als Einsteigerobjektive optimal geeignet.
 

  Standardobjektiv: 
mittlere Brennweite 
mittlerer Bildwinkel
 

Bewegt man den Rahmen weiter vom Auge weg, sieht man einen engeren Ausschnitt. Dies ist der Effekt von Objektiven mit längeren Brennweiten, er ist mit dem Blick durch ein Fernglas vergleichbar. Sie werden eingesetzt, wenn man mit einem grossen Aufnahmeabstand eine steile Perspektive erreichen möchte, oder bei Objekten, an die man nicht nahe herankommt. Bei der Konstruktion von langbrennweitigen Objektiven ist man bemüht, sie möglichst kompakt zu halten. Bei einer einfachen Linse ist die Baulänge des Objektivs mindestens gleich der Brennweite (für eine Einstellung auf unendlich). Indem man einem sammelnden Vorglied ein streuendes Rückglied nachschaltet, lässt sich die Konstruktion deutlich verkürzen, eine solche Konstruktion bezeichnet man als Teleobjektiv. Der Begriff wird häufig allgemein für längere Brennweiten gebraucht. Ein Telekonverter ist nichts anderes als ein zusätzlich eingefügtes Streuglied.
 

  Teleobjektiv: 
lange Brennweite 
kleiner Bildwinkel
 

Bewegt man den Rahmen näher an das Auge, so wird der Ausschnitt grösser als das natürliche Sehfeld. Um das ganze Bild zu erfassen, muss man im Rahmen herumgucken. Dies macht es für Anfänger etwas schwieriger, Motive für ein Weitwinkelobjektiv zu sehen, welches einen solchen Bildwinkel aufnimmt. Weitwinkelaufnahmen betonen den Vordergrund, wenn ein solcher im Bild ist. Das Problem bei der Konstruktion von Weitwinkelobjektiven für Spiegelreflexkameras ist, dass der Abstand vom Film zum filmnächsten Element des Objektivs, die Schnittweite, gross genug sein muss, um Platz für den Spiegelkasten zu lassen. Die Schnittweite ist damit sogar meistens grösser als die Brennweite. Man löst dies, indem man einem streuenden Vorglied ein sammelndes Rückglied nachschaltet. Diese Konstruktion nennt man Retrofokuskonstruktion.
 

  Weitwinkelobjektiv: 
kurze Brennweite 
grosser Bildwinkel
 

Objektive mit veränderlicher Brennweite bezeichnet man als Zoomobjektive.
 
17 mm
35 mm
70 mm
135 mm
 
Möchte man ein Objekt formatfüllend aufnehmen, hängt der Abstand zum Motiv vom Bildwinkel und damit von der Brennweite ab: Mit einem Weitwinkel muss man nah an das Objekt herangehen, mit einem Tele weiter weg. Damit ändert sich die Perspektive. Unter Perspektive versteht man die zweidimensionale Darstellung dreidimensionaler Objekte in der Art, dass die räumliche Vostellung gewahrt bleibt. Die Perspektive verändert sich daher nur mit dem Standort. Wechselt man lediglich die Brennweite, ändert sich die Perspektive nicht, sondern nur der Ausschnitt. Dies lässt sich leicht mit einem Zoomobjektiv überprüfen: Bei Änderung der Brennweite bleibt das Verhältnis vom Vordergrund zum Hintergrund gleich - die Verwendung einer längeren Brennweite entspricht somit im Ergebnis exakt einer Ausschnittvergrösserung einer Aufnahme mit kürzerer Brennweite. Verändert man hingegen den Abstand zum Motiv und hält dabei seine Grösse durch passende Wahl der Brennweite konstant, so ändert sich die Perspektive deutlich (siehe Bildbeispiele).
Da die Perspektive eines der wichtigsten Gestaltungsmittel in der Fotografie ist, sollte man stets die zur Bildaussage passende Brennweite und daraufhin den passenden Aufnahmestandort suchen. Der Wechsel der Brennweite sollte nicht dazu dienen, die passende Abbildungsgrösse vom gerade zufällig gegebenen Standort aus festzulegen, eine Versuchung, der insbesondere Einsteiger mit Zoomobjektiven häufig erliegen. Die Folgen sind Bilder, bei denen ein wichtiges gestalterisches Element verschenkt wurde, und möglicherweise Verfettung des Fotografen infolge von Bewegungsmangel. Bei Objekten, die keine Annäherung zulassen, wie scheuen Tieren, Prominenten oder dem Mond, hat man natürlich keine andere Wahl.
 
17 mm 
 
 
70 mm 
 
 35 mm
 
 
 135 mm
 

Da der Bildwinkel eine Funktion von Negativformat und Brennweite ist, soll die folgende Aufstellung helfen, die Brennweiten für verschiedene Kamerasysteme zu vergleichen:
 
 

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Eine exakte Berechnung von Bildwinkeln ist mit Rui Salgueiros field-of-view calculator möglich.


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(c) 1999-2002 by Franz-Manfred Schüngel