Schärfedehnung nach Scheimpflug

Normalerweise sind Objektive plankorrigiert, die Bildfeldwölbung spielt somit keine wesentliche Rolle. Ist das Objektiv parallel zum Film angeordnet, wie das bei fast allen Kameras der Fall ist, steht die Schärfeebene ebenfalls parallel dazu je nach Fokussierung irgendwo in der Landschaft. Möchte man einen grösseren Schärfebereich haben, muss man abblenden, um die Schärfentiefe zu erhöhen.

Einige wenige Mittelformatkameras sowie spezielle Objektive für Kleinbildkameras ermöglichen jedoch ein Verschwenken (Drehen) des Objektivs. Dadurch dreht sich auch die Schärfeebene im Raum, und zwar wesentlich stärker. Sie ändert sich dabei so, dass sich die Objektivebene, die Filmebene und die Schärfeebene in einer Geraden schneiden (betrachtet man den Schnitt, schneiden sie sich in einem Punkt). Die Verschwenkung kann dem Motiv angepasst werden, so ist ein Schrägstellen bei einer Schrägaufsicht auf eine Häuserfront sinnvoll oder ein Kippen nach vorne bei einer Landschaftsaufnahme, die von vorne bis hinten scharf sein soll. Die Kontrolle der Schärfe erfolgt auf der Mattscheibe.

Nachteil des Verfahrens ist, dass die Objektivachse nicht mehr auf die Bildmitte ausgerichtet ist, der Film befindet sich somit nicht mehr in der Mitte des Bildkreises. Somit erfordert es ein Objektiv, welches einen grösseren Bildkreis auszeichnet, als dem Filmformat entspricht. Dies ist im Kleinbildbereich bei Shiftobjektiven der Fall, einige Modelle (Tilt-Shift-Objektive) bieten über die perspektivische Korrektur hinaus noch die Möglichkeit der Schärfedehnung. Weiterhin findet sich diese Möglichkeit an einigen höherwertigen Balgengeräten. Da sich der Bildkreis mit zunehmendem Abbildungsmassstab vergrössert, ist ein Verschwenken im Macrobereich auch mit normalen Kleinbildobjektiven möglich. Die Schärfe ist aber auf der Mattscheibe von Kleinbildkameras nicht immer einfach zu beurteilen, das Verfahren erfordert ein Stativ und sorgfältiges Arbeiten.

Grossformatkameras (Fachkameras) bieten zusätzlich die Möglichkeit, den Film zu verschwenken. Im Gegensatz zu einem Verschwenken des Objektivs bleibt der Film dabei in der Mitte des Bildkreises, sodass das Objektiv nicht für einen grösseren Bildkreis ausgelegt sein muss, als dem Filmformat entspricht. Das Bild des Motivs auf dem Film wird jedoch bei diesem Verfahren verzerrt, da für eine perspektivisch 'richtige' Abbildung der Film parallel zum Motiv, also in der Regel senkrecht stehen muss. Da sich diese beiden Techniken auch kombinieren lassen, wird in der Praxis nach Möglichkeit das Objektiv verschwenkt; ein Verschwenken des Filmes erfolgt nur, wenn der Bildkreis des Objektivs nicht ausreicht und eine Verzerrung des Bildes nicht augenfällig ist.

Nach ihrem Begründer heisst diese Technik Schärfedehnung nach Scheimpflug. Sie ist keine Alternative zum Abblenden, sondern erlaubt es, die Schärfeebene - die bei starren Kameras immer parallel zum Film liegt - im Rahmen der Verstellmöglichkeiten der Kamera beliebig im Raum zu positionieren und so dem Motiv anzupassen. Abblenden hat auch beim verschwenkten Objektiv den Effekt einer erhöhten Schärfentiefe.


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